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Kirgistan - Die Ak Suu Traverse

Für kirgisische Verhältnisse sind die 7000 Som, etwa 74 EUR, sehr teuer für den Taxiservice zu unserem Start an den Calm Waters im Turgen Tal, dessen Straße im weiteren Verlauf noch höher und bis in den Süden nach Inyltschek führt, vielleicht weiter nach China. 


Es ist 15 Grad kühl, als wir über eine Brücke starten. Die Bachquerung ein paar Hundert Meter weiter führt schon zu ausgiebiger Suche nach der besten Stelle. Wir steigen auf der anderen Seite des Baches von den 2750 m Höhe bis zu einem Pass auf 3300 m an. Wie versprochen gibt es in diesem Land kaum Wald; wir haben weite Sicht bei Sonne und Wolken. Zu beiden Seiten sehen wir die unterschiedlichen Berge, einige mit grünen Wiesen bis in hohe Lagen, viele andere mit Felsen, teilweise sogar schneebedeckt. Einer erinnert tatsächlich, wie unser Fahrer sagte, an das Matterhorn. Das erste Ziel sind die Seen Bos Uchuk. Für den Aufstieg zu ihnen müssen wir die Wiesen auf der anderen Passseite hinab gehen. Eine Bachquerung erfordert wieder eine beste Stelle, dann geht es am Hang hinauf zum ersten See. Wir wandern um den See und inspizieren die ebenen Flächen, die meist sehr feucht sind. Doch natürlich finden wir einen Zeltplatz in diesem tollen Talschluss auf 3400 m Höhe. Ohne Rucksäcke gehen wir hoch zum zweiten See. Leider bietet die Sonne nicht mehr das optimale Licht für diese fantastische Szenerie - ein Genuss und hervorragender Start. Nach dem Kochen in der letzten Sonne wird es schnell kühl, und wir verbringen eine ruhige Nacht allein an diesem wundervollen Ort.


Das Zelt ist trotz seiner Lage am See Bos Uchuk trocken. Nach dem Frühstück geht es weiter um den See herum. Den Bach zwischen dem oberen und unteren See müssen wir etwas weiter oben queren. Von der Seeecke geht es nun zu einem nahen Pass, der eine typische Schneekante unterhalb seines Grats hat, der etwa auf Seehöhe liegt. Nach steilem ersten Stück abwärts wandern wir bei größer werdenden Wolken auf Wiesen ins nächste Tal. Der Pfad läuft, mal sichtbar, mal nicht, auf den Zusammenfluss zweier Bäche zu. Nahe am Bach gibt es wieder viel Suche, zuerst über nasse Wiesenabschnitte, dann zur Querung. Nachdem wir schon Wanderschuh-Abdrücke gesehen haben, ist das zweite Anzeichen auf andere Wanderer ein Smartphone. Ja, Antje nimmt ein intaktes Smartphone vom Weg auf, zu 63% geladen, mit kyrillischen Zeichen. Wir verstauen es und geben zwei Wanderern, die wir nun entdecken lautstark Zeichen. Zunächst müssen wir jedoch furten. Ganz vorsichtig, alles gut verstaut, Schritt für Schritt in Sandalen und Crogs durchs kalte Wasser, das Harald bis hoch an die Oberschenkel reicht. Wir gehen noch ein Stück den Weg hoch, rüsten dann wieder auf Wanderschuhe um, und treffen die beiden Wanderer am See, den wir nun erreichen. Sie sprechen kein Englisch, sind aus Sibirien und freuen sich sehr über das aus der beidseitig offenen Hoodietasche verlorene und nun wiederbekommen Smartphone. Sie haben die gleiche Wanderroute - schade! Wir sind in dieser abgelegenen Gegend doch nicht lange allein geblieben. 


Der Pass, auf den es nun geht, ist 3500 m hoch. Die Wolken sind nun grau und geben den ersten Regen. Auf dieser Seite des Passes ist er noch leicht, auf der anderen Seite prüft er dann tüchtig unsere Regensachen. Unten im Ak Suu Tal sieht es schon freundlicher aus. Wir gehen aber nicht mehr ganz hinunter, sondern finden eine ebene Fläche fürs Zelt in der Nähe eines kleinen Tümpels auf 3000 m. Die beiden Sibirer kommen vorbei und grüßen. Wir kochen und kuscheln uns ins Zelt. Dann fällt nochmal Regen.


Eine kurze sonnige Phase lockt uns aus dem Zelt oberhalb des Ak Suu Tals. Wir packen und frühstücken direkt, denn das Wolkenbild ist ähnlich wie gestern. Im Tal winken uns die Kinder einer Nomadenfamilie zu sich. Der 21 jährige Sohn spricht Englisch, für die Lücken hilft der für Offlinenutzung vorbereitete Google Translator. Wir bekommen Kaymak, eine sahneartige Creme mit Brot und Tee. Die ganze Familie, also 3 Kinder, die Eltern und zwei Opas sind mit uns in der Zelthütte, die nicht rund gebaut ist wie die Jurten. Sie verbringen Mai bis September hier oben, können aber mit 3 Stunden Fahrt motorisiert in Karakol für Nachschub sorgen. 


Wir gehen das Tal nur ein kurzes Stück abwärts bis zur Brücke, dann zunächst weglos über Wiesen am Wald entlang, später mit Weg auf den 3600 m hohen Ashutor Pass hinauf. Es regnet nicht. Oben angelangt beim Picnic überraschen uns die Sibirer. Sie hatten im Wald gezeltet, und waren offenbar spät gestartet, denn sie wirken schneller als wir. Nun nehmen sie den nahen Gipfel in Angriff. Wir hatten das auch überlegt, die Sicht ist ok, also folgen wir einige Zeit später. Tolle Sicht in alle Richtungen aus 3700 m Höhe, also nicht nur die zurückliegende Strecke und das nächste Tal Altyn Arashan sondern auch weiter und insbesondere nach Süden. Dort liegt auf vielen Bergen Schnee. Die Zacken vor dem Grat, auf dem wir stehen, sind auch beeindruckend.


Zurück am Pass fallen die ersten Tropfen, doch der Regen wird nicht stärker, geht an und aus, sogar die Sonne ebenso. Im nun breiten Tal sind Herden auf den Wiesen, sie sind recht entspannt, wir gehen keinen so weiten Bogen vorbei. Ein Niederländer mit Kamera und Fernglas erzählt, dass er Vögel beobachtet und hier einen speziellen sucht, aber leider wie in Indien noch nicht gefunden hat und nun zurück nach Altyn Arashan geht. Wir schauen nach einem Zeltplatz und finden ihn etwas erhöht. Viele Murmeltiere flitzen herum und verschwinden in diversen Löchern. Der Blick auf das Tal ist super. Doch nach dem Kochen fallen wieder Regentropfen, wir essen im Zelt weiter, und der Regen fällt bis in die Nacht.


Früh lockt uns die Sonne aus dem Zelt, und auch die Murmeltiere aus ihren Löchern. Der Weg zum Talort Altyn Arashan ist wieder geprägt von Regensorgen und entsprechendem Umrüsten. Hierbei geht ein Kamera-Akku samt Ladegerät verloren - aus der Tasche des Solarpanel - großer Mist; wir werden Aufwand haben, beides nachzukaufen, wenn es möglich ist - wir werden berichten. Im Ort gibt es verschiedene Camps und ein Guesthouse. 


Es ist trocken, also beschließen wir weiter zu gehen. Nach der Brücke geht es etwa 2 km talaufwärts durch Wald. Der Weg ist schon sehr matschig und nun fängt der Regen doch an. Wir können den Wolkenzug nicht sehen und stellen uns unter einen Baum. Nach einiger Zeit wird es weniger, doch nach kurzer Strecke suchen wir wieder Zuflucht unter den dichten Nadeln. Nochmal das Ganze; nun sind wir 200 Hm ins Tal hoch abgebogen, das uns zum höchsten Pass der Tour bringen wird. Doch hier harren wir 2 Stunden unter zwei Bäumen aus, bis Donner, Hagel und starker Regen endlich aufhören - nicht die schönste Picnicpause. 


Hier wäre auch ein Zeltplatz möglich gewesen, doch von den 1400 Hm bis zum Pass wollen wir noch einige vor dem Schlafen schaffen. Wir wandern vorsichtig den schlammigen Weg über Wiesen hinauf und freuen uns, dass es wirklich nicht mehr regnet und uns in den Regensachen warm wird. Auf 3000 m folgt die Querung des Baches. Ein belgisches Paar quert mit ein wenig nassen Schuhen, die dafür allerdings geeignet sind. Sie berichten, dass es am Morgen auf dem Hinweg einfacher war. Ok, wir suchen einen Zeltplatz auf dieser Bachseite aus, kochen wiederum rechtzeitig vor dem nächsten Regen. Gegessen wird im Zelt, und der Regen bleibt lange stark.


Ein echter DONNERstag!


Der Freitag beginnt mit Sonne und freundlichen Wolken. Die Querung des ersten Bacharms erfolgt über ein altes Kanu (wie mag das hierher gebracht worden sein?). Die weiteren vorsichtig und tatsächlich ohne nasse Füße auf Steinen. Der Weg ist matschig, mit Hagel oder Schnee vom Vortag und aus der Nacht gezeichnet, und führt stetig steigend die Wiesen hinauf. Im letzten Camp vor dem steilen Stück zum Pass läuft laute Musik; sie ist der Ansporn für die Arbeiten, die gerade im Camp erledigt werden - trotzdem nicht so schön in der Natur. Zwei Amerikaner berichten uns von der nun anstehenden Wegbeschaffenheit (ok, keine Grödel nötig) und den Wetteraussichten (Regen erst um 16 Uhr, das wäre gut). 


Diese letzten 300 Hm bewältigen wir in einer Stunde. Bei den Schneepassagen sind nur der Einstieg und Ausstieg brisant. Auf dem 3900 m hohen Alakel Pass bläst kräftiger kühler Wind. Wir genießen den fantastischen Blick auf den Ala Kol mit seiner türkisen petrolen Farbe und der Bergwelt mit zwei prächtigen Gletschern um ihn herum. Das Picnic nehmen wir windgeschützt. Nach 45 min sind wir nicht mehr allein. Ein usbekisches Paar kommt dazu. Wir ziehen weiter zunächst auf dem Grat entlang, dann am Hang hinunter auf der Nordseite des Sees, der 3530 m hoch gelegen ist. Zwei weitere Pausen sind Genuss wegen weniger Wind und weiterhin tollem Ausblick. 


Wir steigen steil ab vom Weg bis 30 m oberhalb des Ala Kol und wählen einen nur ein wenig abschüssigen Zeltplatz. Um 15 Uhr steht das Zelt und während unseres Ausflugs hinunter ans Ufer sind auch die Rucksäcke darin geschützt. Wir kochen schon und - zack - beginnt der Niederschlag. Es ist nur anfangs Regen, dann bald Schnee. Klopfen von innen löst kleine Zeltlawinen aus, so dass es drinnen nicht allzu dunkel bleibt. Mit kurzen Pausen geht es so in die Nacht.


Am Morgen räumen wir 10 cm Schnee von den Eingängen und Zeltseiten, damit in der Sonne alles gut trocknen kann. Nach dem Frühstück wollen wir uns von diesem so stark gewandelten fantastischen Ort nicht so schnell verabschieden. Wir machen am See noch eine weitere Pause auf schneefreiem Fels. Noch sind wir allein, erst an den Camps und Aussichtsplätzen tummeln sich viele Wanderer bei dem wolkenlosen Wetter. Eine große Gruppe Chinesen werden wir häufiger überholen, denn an vielen Stellen auf dem hübschen Weg vom See hinunter ins Karakol-Tal wollen wir pausieren und auch mal die Füße baden. 


So ist es bereits 16 Uhr, als wir an den Karakol-Fluss (ein Gipfel heißt auch so) kommen. Eine tadellose Brücke lässt uns den Fluss überqueren, und auf der anderen Seite bietet der Fahrer eines geländegängigen (aber alten) Kleinbus seinen Service für 4000 Som (42 EUR) an. Das ist deutlich mehr als erwartet, also lehnen wir ab. Wir gehen den Fahrweg recht zügig zu Fuß, werden nur an einem Zufluss bei der Querung zum Schuhwechsel gezwungen. Ansonsten halten wir das Tempo, und der Bus der chinesischen Gruppe kommt uns zuerst entgegen und überholt uns wenig später. Der Fahrer des Kleinbusses macht uns auf seiner vermutlichen Heimfahrt kein erneuertes Angebot. 


Wir sind auch schon wenig später an der Brücke, über die vielleicht gar kein Fahrzeug kommt. Furtet wohl der große Bus? Auf jeden Fall scheint hier die Übergabe an andere Fahrzeuge stattzufinden. Für uns steht aber immer noch kein Taxi bereit. Also weiter, bis wir endlich Mobilfunknetz haben. Doch der Anruf im Green Yard Hotel schlägt ebenso fehl wie die Yandex Suche nach einer Fahrt für uns. Also schlagen wir am Ufer des Karakol nochmal unser Zelt auf. Dieses Mal folgt nach dem Kochen kein Niederschlag, es bleibt wunderschön sonnig.


Doch unsere Planung bekommt einen Schlag: Der Veranstalter hat die ab morgen anstehende Tour abgesagt. Puh!


Am Sonntag laufen wir erst mittags los, genießen die Flusskühle und Sonne. Ein Vater mit Tochter nimmt uns ein paar km mit, den Rest gehen wir wieder zu Fuß. Im Green Yard Hotel ist die Rezeption unbesetzt und Timor, unserer Fahrer vom letzten Montag hilft bei der Zimmerwahl. Dusche, waschen, ein Besuch der Innenstadt mit einer Fahrt in einem Kleinbus (Maschrutka). Die Stadt ist sehr merkwürdig. Riesige Flächen ohne Nutzung, breite Straßen, ganz unterschiedliche flache Gebäude. Das Einkaufszentrum ist am Sonntag doch geschlossen (die Rezeption dachte das nicht), so dass es noch keine Neuigkeiten für die Kamera-Akkus gibt. Das Abendessen stellen wir uns in einem der wenigen halbwegs ansprechenden Restaurants (hier oft Cafe genannt) selbst hübsch zusammen, auch ein Gericht mit Pferdefleisch ist dabei. Und nun klappt auch die Yandex-Fahrt ins Green Yard Hotel. Dort entsteht dann dieser Text und die Instagram Fotos.


Wie geht es nun weiter? Wir fragen einige Anbieter und suchen uns eine passende Option aus. Wir werden uns hoch ins Kyzyl Suu Tal bringen lassen und nach 4-7 Tagen in Jeti Oguz wieder aussteigen. Dazwischen liegen verschiedene Möglichkeiten und entsprechende Entscheidungen. Leider ist nach 2 1/2 Tagen Sonne nun schlechtes Wetter zurückgekehrt. Was sollen wir sagen? Läuft. Wir hätten es sehr gern viel einfacher!

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Kommentare: 1
  • #1

    Harald (Montag, 03 Juli 2023 04:06)

    https://www.polarsteps.com/HaraldEckstein/7672403-32-wochen-23-24?s=9e070cb0-c4e6-4021-950c-67d96b06875e