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Pakistan Karakorum - Lupke La

Für die nächste Tour laufen die Vorbereitungen sofort. Moritz von Talhammer (Talhammer.de) hat diese Tour mit Adventure Tours Pakistan (ATP) intensiv vorbesprochen und wird weiterhin von allen Seiten gefragt. Wir brauchen für die Tage auf schneebedecktem Gletscher Schuhe mit harter Schale, zunächst heißt es ohne, dann auch mit Steigeisen. Auf dieser Nicht-Standard-Tour wird auch die Verpflegung vorher abgesprochen, weil schlicht weniger geschleppt werden kann. 10 Porter werden unsere 3er-Gruppe begleiten, davon 8 über den Lupke La, den Pass, der der Tour ihren Namen gibt, von Balti, der lokalen Sprache hier, übersetzt heißt er Kerzenschein Pass. Der Start der Wanderung ist wieder in Askole. Nach einem kurzen Stück im Baltoro-Tal geht es links den Biafo-Gletscher über mehrere Tage hoch bis zum Snow Lake. Von dort geht es über den Lupke La auf den Braldu-Gletscher, auf diesem bis zu seinem Ende nach Norden, dann über ein Seitental westlich zum Shimshal Pass und hinunter ins Shimshal-Tal.


Die Ruhetage füllen wir nicht mit vielen Aktivitäten. Aber für einen Tag nehmen wir einen Jeep mit Fahrer. Zuerst steuern wir das Basho-Tal an. Nach 50 Minuten auf der Teerstraße fahren wir nun hinunter zu einer langen Hängebrücke über den Indus und dann eine Stunde das Tal hinauf bis auf über 3000 m. Hier ist es flach und breit, Tiere auf den Grasflächen, der Bach fließt in großem Bogen malerisch an den diversen Camps und Läden vorbei. Wir sind also nicht allein, auch wenn es sehr aufwändig ist, herzukommen. Touristen sind noch nicht viele hier, aber als wir von unserem kleinen Spaziergang zurückkommen, sind viel mehr Autos eingetroffen.


Wir fahren wieder zur Straße zurück, müssen dabei aber häufig Gegenverkehr vorbeilassen - unserer Fahrer ist offroad sehr versiert. Dann geht es ein kurzes Stück in Richtung Skardu, zurück in den Bezirk Skardu, wofür Reisepässe und Visa notwendig werden für die örtliche Notiz. Ins nächste Tal hoch, das Sok-Tal, geht es wieder auf unbequemer Piste. Im Tal steuert der Fahrer ein Camp an, doch von hier aus kann man keine enge Tal-Felsformation sehen, die uns neugierig auf das Tal machte. Also fragt er die Leute und fährt mit uns über den malerisch türkisen Bach und auf der anderen Seite wieder talaufwärts. Am Ende des befahrbaren Weges sieht es immer noch nicht so aus, auch hier hilft das Vergleichsfoto nicht. Also gehen wir am hübschen Bach hinauf, ein längeres Stück, bis wir auf die nächste Biegung des Tals schauen. Keine felsige Verengung. Wir baden gut blickgeschützt vor den Kindern, die weiter unten baden und spielen, eine herrliche Erfrischung! Nach dem Rückweg zum Jeep fällt leider der Bergschatten bereits auf den Bach, so dass die Farbe blasser ist. Schade!


Wir machen noch den Abstecher zum Upper Kachura Lake. Doch dieser liegt auch schon vollständig im Bergschatten, und Motorboote machen unnatürlichen Lärm. Die Besucher hier fühlen sich offenbar nicht in der Natur. Der kleine Shangrilla Lake ist rundum von Hotels eingerahmt. Näher müssen wir uns diesen auch nicht anschauen. Also fahren wir den Indus wieder hinauf und freuen uns, in Skardu den dritten Tour-Teilnehmer Carsten kennenzulernen.


Die Fahrt nach Askole startet um 7 Uhr leider ohne Frühstück - ein kleiner Minuspunkt für die Taaj Residence, aber insgesamt eine gute Wahl. Das Wetter, ein wichtiger Faktor, ist gemischt, auch für die nächsten Tage so vorhergesagt. Die Fahrt ein kurzes Stück den Indus flussaufwärts, dann auf seiner anderen Seite ins Shigar Tal kennen wir schon. Das Frühstück in Shigar ist eine gute Idee. Das Mittagessen bekommen wir dieses Mal nicht kurz nach Dassu Shigar sondern etwa eine Stunde später. Hier läuft ein Frettchen herum, und in der Vitrine mit den Edelsteinen aus der nahen Mine sind unterhalb 3 Falken eingesperrt, hm. Auch dieses Mal meistert der Fahrer all die schwierigen Stellen, und wir sind am frühen Nachmittag nach netto  4 1/2 Stunden Fahrt am Ziel. Die Saison ist schon stark abgeklungen, so dass wir im Camp am Ortsende die einzige Gruppe sind.


Am Morgen muss unser großes Team noch rundum organisiert werden, denn mit uns Dreien gehen 18 Leute: Mukhtar (Guide), Hussein (Koch), 14 Porter und 2 Muli-Treiber. Die Registrierung am Eingang zum Central Karakorum Nationalpark (CKNP) müssen wir wieder abwickeln. Dann verlassen wir schon den vielbegangenen Weg im Baltoro Tal, und biegen links in Richtung Biafo Tal ab. Von einem kleinen Pass sehen wir, dass der Biafo Gletscher bis ans Ende des Tals reicht - immer noch. Dass er früher deutlich höher reichte, sehen wir an einigen Formen am Talrand gegenüber. Noch wandern wir auf einem Weg. Ein paar Touren mit unterschiedlichen Verläufen gehen hier am westlichen Talrand hinauf. Doch unsere Tour wird sehr selten gegangen, in diesem Jahr sind wir die einzige Gruppe, die über den Lupke La geht. Der Weg muss allerdings auch hier schon mehrfach für Passagen auf den Gletscher und sein Geröll wechseln, wobei auch ein wenig Eis oder kleine türkise Tümpel zu sehen sind. Die ausgiebige Lunchpause ist für uns vermutlich weniger wichtig als für das Team - sie wird nur unter besonderen Umständen vereinfacht oder weggelassen. Um 15 Uhr erreichen wir Namla, das erste Camp, das mit ein wenig Grün oberhalb des Gletschers liegt. Die Mulis mit unseren Sachen kommen erst um 17:30 Uhr, nunja. In der Nacht regnet es, und schon unter diesen Bedingungen muss ein wenig improvisiert werden. Unser Zelt hält weitgehend dicht. Carsten wird fortan sein eigenes Zelt verwenden.


Zum Start des langen Wandertages ist es bedeckt und regnet stark. Um 9 Uhr ist es trocken und wir starten. Als erstes queren wir den Biafo Gletscher. Die Eisformen, Eisberge (Seracs), Gletschertische (Stein auf Eisfuß), türkises Wasser, stehend und fließend, sowie Gletscherspalten (Crevasses) sind nicht nur schön anzusehen, sondern bestimmen auf dem Abschnitt den Weg und das Tempo. Gefährlich sind die Sprünge über die Spalten nicht, unsere Porter sind hier in der Berggegend mit solchen Aufgaben aufgewachsen. Vom Gletscher aus sehen wir auch Mango, ein Camp am westlichen Talrand, das nicht mehr genutzt wird, weil es schwer geworden ist, vom Gletscher dorthin zu kommen.


Auf unserem Weg am östlichen (rechten) Talrand nutzen wir ein grünes Fleckchen an einem derzeit trockenen Flussbett für die Lunchpause. Die Strecke bis zum Upper Baintha Camp zieht sich aber noch. Das letzte direkte Sonnenlicht lässt die Pflanzen in schönen Farben leuchten - es erinnert uns an Patagonien. Es ist ein schönes Camp. Hier bekommt unser Zelt eine umsichtig ausgeführte Wärmezufuhr mit dem Gaskocher, damit es trockener wird. 


Am darauf folgenden Ruhetag mit weiterhin wechselhaftem Wetter und sogar kräftigem Regen am Abend sammeln wir die Energie für den nächsten langen Tag. Die weite Strecke absolvieren wir auf dem Gletscher. Wir kommen am schwarzen Fels Nakpogoro und dem roten Fels Marpogoro vorbei, auf dessen Höhe wir, allerdings auf dem Gletscher, unsere Lunchpause haben. Ein schicker Gletschertisch dient uns als Esszimmer. Überall diese besonderen Gletschereindrücke - deshalb sind wir hier! Unser Ziel ist Karpogoro, der weiße Fels, dessen Brocken wir zum Abschluss noch passieren müssen, bis wir auf einem Moränenabschnitt das Camp einrichten. Wilde Tiere sehen wir leider nicht. Die Steinböcke zeigen nur Spuren, auch Fuchsspuren und die eines Hasen sehen wir - ach na gut, eine Krähe begleitet unsere - offenbar zu große - Gruppe nun.


Heute verlassen wir das Biafo Tal. Harald nutzt erstmals die geliehenen Hardcover Schuhe. Das erste Stück auf Geröll und Steinblöcken geht entsprechend ungewohnt, holprig und langsam. Es fühlt sich an wie Zertrampeln, nur dass die Steine nicht nachgeben. Auf dem Gletscher wird das anders; die rauhe Oberfläche knirscht; hierfür sind die Schuhe gedacht. Wir gehen zunächst noch nördlich auf die große Ebene zu, die Snowlake genannt wird. Flach ragt er hinein in die angrenzenden Täler. Westlich geht es hinauf zum Hispar La, nördlich geradeaus gibt es den Khurdopin La, einen Pass nur für Bergsteiger, den man von hier aber nicht sehen kann. Wir sind weit genug entfernt von den Carvesses zu unserer Rechten und können nach rechts (Osten) auf den Sim Gang Gletscher abbiegen, der uns zum Lupke La bringt. Ein letzter Blick zurück, und dort ist immer noch der Bakhor Das, der markante Gipfel auf der gegenüber liegenden Seite des Baltoro Tals. Das Wetter hält sich, aller Niederschlag bleibt nur drohend leicht. Wir steuern auf einen auslaufenden Fels zu, der an diesen flachen Gletscher - heißt dieser Teil auch noch Snowlake? - heranreicht. Es geht zügig voran, man sieht vor und hinter sich jeweils alle Leute, ach ja, außer den Mulis, die am Morgen zurück geschickt wurden. Der 7285 m hohe Baintha Brakk ist nun voll zu sehen, der Uzum Brakk, und vom Camp aus erkennen wir den Lupke La. In zwei Tagen wollen wir ihn überqueren. Auf 4920 m Höhe wird es nachts sehr kalt, doch das Gute daran ist, dass die klare Nacht ein Zeichen für stabiles Wetter ist. Die Stimmung im Team ist gut.


Zum Lupke La Base Camp gehen wir weiter auf dem Gletscher, der hier wohl nicht mehr Sim Gang heißt, weil dieser zum Sim La führt, einem Pass nach Süden in die Latok Gruppe. Er ist weiterhin flach wie ein leicht geneigter See. Die Sonne ist so warm, dass wir in T-Shirt mit zusätzlichen Ärmeln wandern. Die Oberfläche des Gletschers macht die Schuhe nass, aber die Füße werden nicht kalt. Den Sonnenschutz für die schwierigen Stellen wie die Lippen bekommt kaum einer befriedigend hin. Löcher oder gar Spalten werden vom Ersten, dem Küchenhelfer, umgangen, nur ganz selten mit einem kurzen Tritt in die Tiefe. So bleibt das ganze Team weiter ohne Unfall. Am Camp kommt Diskussion auf, weil auf der Openstreetmap (osm) Karte der Lupke La 5 km entfernt von den tatsächlichen Koordinaten eingetragen ist. Dieser Fehler wird schon hier entlarvt, und für Harald wird es ein Anlass, das Beitragen zu osm zu beginnen (vielleicht bald ein entsprechender Kommentar hier). Ein halber Tag Ruhe, stabiles Wetter, nun kommt die Passüberquerung.


Es ist Sonntag, klarer Himmel, die Sonne geht während des frühen Frühstücks auf. 5 Porter gehen von hier zurück nach Askole. Um halb 7 Uhr gehen wir als geschlossene Gruppe, 3 Deutsche und 11 Pakistanis, in zwei Teilen am Seil gesichert über den Gletscher auf den Lupke La zu. Auf dem steilen Abschnitt geht es langsamer vorwärts, weil Tritte geschlagen werden. Steigeisen legen wir nicht an, doch Antje trägt erstmals ihre Hardcover Schuhe. Um halb 10 Uhr haben wir diese Anstrengung geschafft, wenig später nach einem kurzen flachen Anstieg sind wir auf dem Pass. Die Koordinaten werden festgehalten, 5620 m Höhe. Große Freude. Ein paar Hundert Meter abwärts wird die Lunch-Plane ausgebreitet und nach dem Lunch eine Reihe Gruppenfotos gemacht. Viele aus dem Team wollen besonders mit Antje fotografiert werden. Stimmt, viele Frauen hat dieser Pass mit Sicherheit nicht gesehen.


In ausgelassener Stimmung geht es den Gletscher gleichermaßen flach auf der anderen Seite (Osten) hinunter. Nach einer halben Stunde sackt Antje an zweiter Position hinter Mukhtar mit einem Bein in eine Spalte. Sie kann sich selbst mit dem anderen Fuß und einer guten Reaktion halten. Doch wenige Sekunden später bricht Harald an Position 3 in die größer werdende Spalte ein. Er breitet die Arme aus und fällt somit nicht in die Sicherung von Carsten und Antje. Die Füße aus der Spalte zu heben, ist gar nicht so einfach. Dann vorsichtig auf Carstens Seite aufstehen und sammeln. Weiter geht's, trotz des Schrecks. Wenige Minuten später ist es noch einmal Harald, der in eine Spalte kracht. Dieses Mal hilft ihm die Reaktion, nach vorne zu fallen. Der Oberkörper bleibt auf Antjes Seite über dem Eis, die Füße kommen hinten schnell wieder nach oben. Doch währenddessen schreit Antje auf. Hussein, der Koch an Position 5 hinter Carsten ist plötzlich verschwunden. Er ist in eine Spalte eingebrochen, sein Karabiner mitsamt Materialschlinge liegen ohne ihn auf dem Eis. Carstens Wanderstock ist mitgefallen - so nah war es für ihn. Er liegt auf dem Eis, sichert Harald, während dieser sich von seinem Loch entfernt. Die Porter sprechen mit Hussein, der wohl 10 m tief gefallen ist. Nacheinander werden die zwei Seile zu ihm herunter gelassen. Er bindet sich selbst und den Rucksack sowie den Wanderstock an. Dann wird er herausgezogen; mehr als 15 Minuten war er in der Spalte. Mit Vorsicht und Geschick wird auch der Rucksack mit dem Stock geborgen. Dann gehen wir eine ausreichende Strecke zurück. Die Stelle wird in einem größeren Kreis auf Löcher und Spalten geprüft. Alles sicher. Hier auf 5330 m wird das Camp aufgeschlagen. Hussein wird nun gewärmt und mit erster Medizin versorgt. Allgemeines Aufatmen! Husseins Verletzungen sind an den Schultern und Rippen mit starken Schmerzen verbunden, aber Beine und Kopf sind in Ordnung. Über die Sicherheitsmaßnahmen hatten wir mit Mukhtar und dem Küchenhelfer gesprochen und wichtige Dinge verbessert, z.B. Gurt verwenden anstatt Rucksack-Beckengurt, nun ist der Fehler so klar - Karabiner falsch am Gurt befestigt - , dass nicht mehr darüber geredet wird.


In dieser Situation merkt man, wie gut das Team funktioniert. Alle packen an, kümmern sich um den Verletzten, rücken zusammen. Das Camp steht schnell, der Verletzte im Küchenzelt bekommt Ruhe, und für die Essenszubereitung gibt es auch viel Hilfe. Die Planung ist klar: am nächsten Morgen über die heute Mittag gefährliche Passage hinunter zum Braldu Gletscher. Dort ist ohnehin das nächste Camp geplant.


Mit ein wenig mulmigem Gefühl gehen wir von unserem Lupke La Abstieg Camp auf dem Ebenen rauhen Gletschereis mit geändertem Weg, und alle gut am Seil gesichert in Richtung Braldu Gletscher. Nach wenigen Minuten kann man einen Blick auf den K2 erhaschen, immerhin 68 km entfernt. Wir haben die spaltenreiche Gletscherplatte verlassen, müssen ab und zu an einer Moräne entlang, und gehen dann wieder über Gletscher nach Nordosten. Nach 2 1/2 Stunden können wir ohne Seil weitergehen. Sprünge über Oberflächenströme sind die größeren Herausforderungen, allerdings auch nicht ohne mit den schweren Schuhen. Keine Unsicherheiten, kein Unfall. Auch die Lunchpause wird gemacht. Ein guter Tag.


In allen Richtungen weiße Berglandschaft, glatte Gletscherströme und schroffe Gletscher an Berghängen. Hinter uns erscheint die Spitze des Latok I, den wir von Namla aus auch sehen konnten. Türkises Wasser, Eisberge, und den ganzen Tag Sonne. Auf Gletscher mit Geröll wird unser Braldu Camp eingerichtet. Kurz vor dem Camp verabschieden sich die Sohlen von Antjes Schuhen, alle beide innerhalb von Minuten, tja Schrott geliehen,  aber es gab keine besseren. Nun sind wir auf 4520 m und werden noch 2 1/2 Tage in diesem Tal hinunter wandern.


Von den Hardcover Schuhen wechseln wir wieder auf unsere Wanderschuhe, auf Geröll und Steinblöcken die beste Wahl. Außer kurzen Passagen auf weißem Gletscher sind die Reaktionen auf "auch große Steine ändern ihre Position" gefragt. Antje macht das souverän, Harald leistet sich ein paar Stürze bei wegrollenden Steinen, die aber glimpflich verlaufen. Es geht auf und ab, die Sehenswürdigkeiten sind seltener. Der Soundtrack im Ohr ist "Jumpin' someone else's train" von Cure - hohes Tempo für die Reaktionen. Der Blick nach vorn zeigt die Schneehaube oder Snowcap, wie wir den hübschen namenlosen Gipfel taufen, der uns den Taleingang anzeigt, den wir in ein paar Tagen hinauf wandern werden. In unserem Rücken bleiben die schroffen Bergketten an beiden Seiten, nur wenige mit Schnee bedeckt.


Am Caravan Camp beschließen wir, noch weiter zu wandern. Eine Stunde später wird es auf ähnlich schönem Terrain an blauen kleinen Seen eingerichtet. Hier hören wir nachts einige Geröllstürze. Fast 4 Stunden brauchen wir am Mittwoch noch auf dem Gletscher, dann verlassen wir ihn und kommen in die Flussebene des Braldu. Endlich weniger Auf und Ab. Doch die Hauptaufgabe wird die Überquerung werden, die morgen ansteht. Die Zuflüsse von rechts haben kein Wasser, so dass wir für unser Camp wiederum 20 Minuten weiter absteigen als das eigentliche Wesm Camp. Das Highlight hier sind die frischen Spuren von einer Schneeleopard Mutter mit vermutlich zwei Kleinen. Tja, wenigstens mit ihren Spuren zeigen sich Wildtiere.


Das Braldu Crossing erscheint von oben betrachtet an einigen Stellen zu Fuß machbar. Yaks sind in unserem Zielort Chekor nicht zu sehen, und auch eingerichtete Seile sind zwar möglich, aber nicht gewiss. So starten wir 14 den ersten Versuch um 9 Uhr auf der Höhe unseres Camps. Durch einige Flussarme ist es nicht schwer, nur kalt, doch der am kräftigsten strömende Arm ist doch zu tief. Mukhtar bricht den Versuch ab. Beim zweiten Versuch eine Stunde flussabwärts sieht es ähnlich aus. 4 Leute sind schon weit gekommen, doch es muss abgebrochen werden. Und die 4 brauchen Hilfe, um wieder zu uns Wartenden zu gelangen. Sehr kaltes stark strömenden Wasser, das kostet Energie.


Noch ein Stück flussabwärts werden dann Kontaktsignale ausgesandt. Die 2 Porter, die für uns nach Chekor geschickt wurden, sollen uns wahrnehmen. Das ausgebreitete orange Tarp wird vermutlich mehr Wirkung gezeigt haben, als die Pfiffe, denn es sind fast 2 km Entfernung. Die beiden sehen uns, kommen an das andere Flussufer und beginnen mit den ersten Versuchen, unser Braldu Crossing hier zu ermöglichen. Sie weisen uns zu einer Stelle weiter flussabwärts, wo wieder viele Flussarme gebildet werden. Sie schaffen selbst das Crossing zu uns, doch der erste Versuch, mit einem Seil wieder zum Zielufer durch den tiefsten Flussarm zu gelangen, scheitert. Wir erfahren nun, dass die aus einem einzelnen Drahtseil bestehende Brücke ein paar km Braldu abwärts in Gozkhun nicht mehr existiert - wieder eine sicherere Option weniger. Der zweite Versuch gelingt an anderer Stelle, dann begleiten die beiden die ersten von uns hinüber, die auf der anderen Seite zunächst das Gepäck abstellen und die Sicherung am Seil übernehmen. Nach und nach mit Vorsicht und viel Kraftaufwand watet man durch das Wasser, das an der tiefsten Stelle am stärksten strömt und bis zur Hüfte von Antje reicht. Carsten bewältigt es als erster von uns Dreien. Trotz Sicherung mit Gurt am Seil braucht Antje die Kraft der beiden Shimshali Porter, um an der tiefsten Stelle voranzukommen. Das ganze Team strahlt, als sie diese Leistung vollbracht hat. Harald als nächster schafft es auch. Mit den verbleibenden Flussarmen warten allerdings weitere Kraftanstrengungen. Antje mit einem Shimshali Porter, Carsten und Harald gemeinsam, sich gegenseitig stützend, nur Haralds linke Sandale löst sich vom Fuß und ist verloren. Dann ist es geschafft. Nach 1 1/2 Stunden sind alle drüben, nein, nicht alle. 5 Porter bleiben zurück auf der anderen Seite. Hm. Das Gepäck ist so sortiert, dass es für beide Seiten passt. Die 3,5 km Strecke nach Chekor führen am Hang aufwärts, und wir müssen an einer steilen Stelle noch einmal die Schuhe wechseln und einen kräftig strömenden Seitenbach queren.


Am nächsten Vormittag kommen die 5 mit gleicher Hilfe, Anstrengung und Gefahr an das Chekor Ufer. Eine andere Streckenwahl hat ihnen die Bachquerung erspart. Nochmals Erleichterung und Freude! Chekor ist ein schönes grünes Fleckchen, gut geeignet für den Ruhetag nach den aufregenden Erlebnissen. 


Mit den Shimshali Portern ist weniger Mehl angekommen als laut ATP bestellt und benötigt. Wie sollen sich die Porter die verbleibenden 3 1/2 Tage bis zur Ankunft in Shimshal ernähren? Nunja, das bleibt offen, zumindest wollen alle als Gruppe zusammen bleiben, nicht einen Teil der Gruppe schneller nach Shimshal schicken.


Am Samstag stehen wir wieder einmal früh auf. Von 7 Uhr bis nach 11 Uhr wandern wir nach Suw Wurt (auch Shuwert oder Jama'at Khana). Aus Chekor geht es steil den Hang hoch, bevor es danach flach ansteigend am breiten Flusstal entlang geht. Wir sehen wieder neue Landschaft mit der Schneehaube (Snowcap) zu unserer Rechten und Felsriegeln auf der linken Seite. Im abgesehen vom Flussbett grünen Tal sind ein paar Yaks zu sehen. Das Flussbett queren wir - zum Glück mit trockenen Füßen -, um zu dem Hirtendorf Suw Wurt zu kommen. Hier haben viele Ziege und Schafe Platz auf ummauerten Bereichen. Die Steinhütten sind verschlossen, werden tagsüber wohl selten genutzt.


Nun diskutieren wir nochmal die Lage. Wir werden heute hier das Camp aufschlagen, heute Abend hier eine Ziege kaufen, um mit dem Team die Erfolge der Tour zu feiern. ATP trägt nur ein Drittel des Preises bei, nun ja, also beteiligen wir 3 uns. So wird auch die Vorratsplanung klappen. Der kurze Wandertag morgen zu Shimshal Pamir, der Hochebene kurz hinter dem Shimshal Pass, wird bestätigt, ein fast-Ruhetag, alles genau wie ursprünglich geplant. Auch so herum gilt der Teamzusammenhalt, wir sind rundherum zufrieden. Tatsächlich klappt der Kauf einer prächtigen Ziege, die Verarbeitung ist für uns sehenswert. Die erste Festspeise am Abend - gebratene Leber und Niere - ist schon sehr gelungen. Wir probieren auch vom großen Ziegentopf, den die Porter sich zubereiten und aufteilen. Hiervon werden sie die kommenden 2 1/2 Tage essen. Die Stimmung ist hervorragend.


Den kurzen Tag starten wir spät. Die Wanderung über den Shimshal Pass ist leicht. Die Landschaft der Hochebene ist faszinierend. Ein weiteres Highlight auf dieser abwechslungsreichen Tour. Am Nachmittag nach dem Lunch wandern wir in das Seitental im Süden unseres Camps. An den Hängen sind auch sehr hoch oben noch Yaks zu entdecken. Die weißen Berge, denen wir näher kommen, runden das malerische Bild ab. Den Gletscher, der aus einem Seitental kommt, sehen wir noch nicht, doch hier bleiben wir und genießen die Sonne. Das Ziegen-Handi am Abend schmeckt hervorragend. Hussein hat die Küche schon längst wieder voll übernommen, nur tragen kann er nicht.


An den verbleibenden zwei Wandertagen wandern wir durch den Canyon im Tal des Pamir Flusses ins Shimshal-Tal und nach Shimshal. In unserem Camp auf der Hochebene hat es am frühen Morgen leicht geschneit. Ein völlig neues Bild; leider hängen die Wolken tief und es schneit leicht weiter. Von hier steigen wir zügig hinab ins Pamir Tal und überqueren in dem Hirtenort Shuijerab den Pamir Fluss. Nun sind wir aus der Wolke heraus, der Niederschlag hört auf. Hier ist das Tal noch relativ breit, doch schon bald sind die Formen der Sandsteinberge auf der anderen Talseite bemerkenswert. Erosion in vielen Variationen; Farben geben weitere Vielfalt. Auf dem Weg am Canyonhang geht es auf und ab. Und alle paar Schritte bestaunen wir die neuen Eindrücke. Es ist nun wieder stabil trocken mit überwiegend Sonne.


Die Lunchpause erfolgt in einem Camp, das hübsch etwas zurückgesetzt an einem Bach liegt. Die Namen der Camps variieren je nachdem, wen man fragt - vielleicht ist Arab e Parien doch hier, der geplante Zielort für heute. Doch es ist erst Mittag und alle sind frisch genug, also gehen wir noch gut 3 Stunden weiter durch diese wundersame Landschaft. Wir wechseln kurz vor dem Ziel auf einer Hängebrücke die Flussseite und errichten an zwei Hütten unser Camp (wir nennen es einfach Canyon Camp). Der kurze leichte Regen nach dem Mittag hat sich wieder verzogen.


Und der letzte Wandertag wird wieder weitgehend sonnig. Der Pfad am Hang ist wirklich gut gepflegt, geht nun aber meist bergauf. Die Eindrücke sind wieder fantastisch, die Stimmung im Team fröhlich. Nach 3 ½ Stunden erreichen wir den schönen Aussichtspunkt am Ende der Schlucht mit Blick auf Shimshal und mit Mobilnetz. Nach 16 Tagen melden sich fast alle bei ihren Liebsten. Wir sind immer noch 3700 m hoch, höher als im letzten Camp, und gehen nach recht kurzem steilen aber bequemen Abstieg durch das Flusstal des Shimshal in das gleichnamige Dorf. Hier ist das vorbestellte Guesthouse doch nicht geöffnet, aber im Shimshal Embassy Guesthouse kommen wir unter und essen frisch gekaufte Sachen. Zum Abschluss des Abends kommen wir nochmal als ganzes Team zusammen und freuen uns gemeinsam über die tolle Tour, mit gegenseitigem Dank und allgemeiner herzlicher Stimmung - trotz aller Erschöpfung.


Die Fahrt von Shimshal nach Karimabad ist noch ein Highlight. Der Shimshal frisst sich in vielfältiger Weise durch die Gesteine seines Tals. Der Bau dieser Jeeppiste ist eine großartige Errungenschaft, die immer wieder Pflege braucht. Hoch über dem Fluss oft in den steilen Hang gesprengt, manchmal auf dem Geröllhang gut befestigt, schlängelt sie sich 2 ½ Stunden bis hinunter ins Hunza Tal. Am Hunza ist der Karakorum Highway (KKH) gebaut worden. Mit chinesischer Unterstützung ist er durch einige Tunnel auch nach dem Erdrutsch und der Entstehung des Attabad Sees wieder durchgängig als Schnellstraße nutzbar. Karimabad bietet viel für Touristen. Zum Glück ist nun Nachsaison, also keine Horden von Inlandstouristen zu sehen. Alles ist etwas teurer, aber auch von guter Qualität. Nach den Ruhetagen hier wird es weitergehen nach Nepal.


Biafo Gletscher, Snowlake, Sim Gang Gletscher, Lupke La, Gletscherspalten, Tierspuren, Braldu Gletscher in weiß und Geröll, der Braldu Fluss, das Braldu Crossing, Chekor, Suw Wurt und Shimshal Pamir Hochebene, Pamir Canyon, Shimshal - fulminant abwechslungsreich! Eine großartige Tour!

Geschätzt 184 km, 16 Tage inklusive fast 3 Ruhetage.

Was fehlte? Wildtiere.


Eine Erfahrung fürs Leben, dass wir so eine Tour hinbekommen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Discover Pakistan USA (Donnerstag, 28 September 2023 14:06)

    Amazing trip you enjoyed it. It's nice to hear about your success on this unusual adventure! The story of the journey is interesting and those arduous water crossings and crevasses on the giant glaciers.

  • #2

    Michael (Montag, 16 Oktober 2023 21:41)

    Hallo ihr, danke für diesen eindrücklichen Bericht. Ich war 2022 am Lupke La. Mukhtar/Alam war als Träger mit dabei. Es war ein ziemliches Himmelfahrtskommando, obwohl gut geplant. Aber ATP scheint einige Konsequenzen gezogen zu haben. Ich habe drei Tage für die Busfahrt nach Skardu gebraucht. Da meine Träger in Askole nicht auf uns gewartet hatten, hatte dies letztlich zur Konsequenz, dass wir das sensationelle Wetter danach kaum nutzen konnten und stattdessen tagelang in der Gegend des Snow Lake auf immer wieder versprochene Träger warteten, von denen aber kein einziger je auftauchte. Wir sind dann mit nur vier Trägern und einem Minimum an Essen über den Lukpe La gegangen, bei durch Regen aufgeweichtem Schnee. Was die Träger geleistet haben, war unglaublich. Der Braldu-Gletscher war vor allem in seinem unteren Teil super gefährlich, mit sehr viel Steinschlag (wir sind teilweise neben dem Gletscher durch die Moränen) und einmal wurde die Gruppe durch eine Mure getrennt. Dann hat ATP es auch noch irgendwie verbockt, Träger mit Nachschub von der anderen Seite zu schicken, so dass uns das Essen ausgegangen ist. Tage später kam dann Essen, aber kein Brennstoff, so dass die letzten 10 Tage ein Wettlauf gegen den Hunger wurden. Die Shimshalis auf dem Pass haben sich trotzdem geweigert, uns eine Ziege zu verkaufen oder wenigstens etwas Mehl. Grösster Frust-Faktor waren die beiden HAPs aus Shimshal, die mich nur verarscht haben und auch sonst immer versucht haben, das Team irgendwie zu spalten. Ich wollte ein paar kleinere Gipfel machen, aber sie haben ihre Ausrüstung heimlich wieder ausgepackt und so musste ich diese Touren letztlich alleine antreten. Die Verhältnisse waren früh morgens - es war Ende Juni - meist sehr gut, ich war mit Schneeschuhen unterwegs in den flacheren Bereichen, bin dann aber einmal doch mit beiden Beinen in eine riesige Spalte eingebrochen, keine Ahnung, warum ich da nicht reingefallen bin. Es grenzt an ein Wunder, dass wir es unter diesen Voraussetzungen geschafft haben - aber Spass gemacht hat es nicht. Ich vermute mal, Moritz und vielleicht auch Naiknam oder Mukthar haben euch erzählt. Mein Guide war ein Neffe von Naiknam, der hat eigentlich mehr Probleme gemacht als dass er geholfen hätte. Die vier Balti-Träger waren die Helden, ohne die hätten wir keine Chance gehabt. Meine erste Tour, seit ich überhaupt reise, von der ich im Rückblick sage, dass ich sie lieber nicht gemacht hätte - alleine mit so einer Truppe, 25 Tage Krisenmanagement. Aber nach Pakistan komme ich bestimmt immer wieder gerne zurück.
    Grüsse aus Freiburg, Michael (michael.moritz@mailbox.org)